Das weite Land

Theaterstück von Arthur Schnitzler

Premiere 24 September 2011 im Burgtheater

Mit: Peter Simonischek (Friedrich Hofreiter, Fabrikant), Dörte Lyssewski (Genia, seine Frau), Corinna Kirchhoff (Anna Meinhold-Aigner, Schauspielerin), Lucas Gregorowicz (Otto, ihr Sohn), Michael König (Doktor von Aigner, der geschiedene Gatte der Frau Meinhold), Kirsten Dene (Frau Wahl), Katharina Lorenz (Erna, ihre Tochter), Martin Reinke (Natter, Bankier), Stefanie Dvorak (Adele, seine Frau), Falk Rockstroh (Doktor Franz Mauer) ua

Regie: Alvis Hermanis

Ein Sommernachmittag, starkes Gewitter, lange Schatten fallen. „Das weite Land“ beginnt nach der Beerdigung eines jungen, herausragenden Pianisten namens Korsakow, der angeblich Selbstmord begangen hat. Die Spur führt uns zum Glühlampenfabrikanten Friedrich Hofreiter und seiner Frau Genia.

In ihrer Villa in Baden sorgte Korsakow für anspruchsvolle Unterhaltung für die dort flanierende, großbürgerliche Gesellschaft. Genia und Friedrich ringen um ihre Liebe, doch sind sie längst in einen zerstörerischen Strudel aus Misstrauen und Betrug verwickelt, von dem die Menschen um sie herum magnetisch angezogen scheinen wie von einem freiheitsverheißenden, hocherotischen Spiel. Percy, der gemeinsame Sohn der Hofreiters, wird in England erzogen und ist eine wesentliche Koordinate der Sehnsucht in dieser Tragikomödie. Als ein dramatisches Gerücht Hofreiters Ehre als Mann in Frage stellt, muss abermals ein junges Leben geopfert werden. (Inhalt Burgtheater)

Dörte Lyssewski (Genia), Peter Simonischek (Friedrich Hofreiter) - (c) Georg Soulek

Kritiken

Die Presse (Norbert Mayer): Burgtheater: Wiener Schnitzler mit grauer Soße – Alvis Hermanis macht einen Ego-Trip in „Das weite Land“. Die Regie verspricht „Suspense“ wie im dunkelsten Hollywood, doch produziert werden vier Stunden gnadenloser Langeweile in Schwarz-Weiß.Denn Regisseur Alvis Hermanis hatte diesmal eine Idee, die er leider gnadenlos ausschlachtet: Dieser Schnitzler lebte doch in jener Welt von gestern, der auch europäische Immigranten angehörten, die vor Hitler nach Hollywood flüchteten. Also ist es logisch, dass man auf der Bühne bis aufs Platinblond der Damen nur Grautöne zulässt wie in einem alten Schwarz-Weiß-Film. … Talente wie auch reife Stars des Burgtheaters werden dazu verdammt, bloße Karikaturen zu spielen.Peter Simonischek spielt diesen betrogenen Betrüger, den Fabrikanten Hofreiter […] lustvoll antagonistisch zum Gesamteindruck. So wie Corinna Kirchhoff als Meinhold-Aigner sticht er als Schnitzler-Figur heraus aus dieser verstaubten Hollywood-Imitation

Der Standard (Ronald Pohl): Das Einheitsgrau aus dem Ideensack – Mit heftigen Buhrufen wurde Alvis Hermanis‘ untauglicher Versuch quittiert, aus Arthur Schnitzlers Tragikomödie „Das weite Land“ einen Schwarz-Weiß-Krimi zu machen … Hermanis, der auch die Bühne für dieses betrübliche Schnitzler-Missverständnis eingerichtet hat, ist ein bis zur Verstocktheit aufrechter Künstler. Er steckt Stücke wie Das weite Land ohne Bedenken in seinen nicht eben randvollen Ideensack. … Simonischek ist die unbewegliche Masse Mann im verschmockten Cineastenzirkel. … Größter Applaus gebührt nachträglich Klaus Maria Brandauer. Er verzichtete darauf, für Hermanis den Hofreiter zu spielen.

Salzburger Nachrichten (Julia Danielczyk): Schlampereien des Herzens – Hollywood-Kino, Penisneid und Grautöne: Alvis Hermanis geht bei Schnitzlers „Das weite Land“ im Burgtheater die Luft aus. … Peter Simonischek ist für den ursprünglich vorgesehenen Klaus Maria Brandauer eingesprungen und spielt schnörkellos den Womanizer, in dessen Armen die Damen Befriedigung suchen. … Für die Regie gab es ein heftiges Buh konzert, das Ensemble erntete nicht mehr als mäßig-freundlichen Applaus.

Kleine Zeitung (Frido Hütter): Das schwarz-weiße Land – Kultregisseur Alvis Hermanis zeigt an der Burg mit Arthur Schnitzlers „Das weite Land“, dass dieses großartige Stück enorm viel aushält. … Der exakt konzipierte Soundtrack (Raimund Hornich/Florian Pilz) spielt eine der Hauptrollen. … Diese Genia Hofreiter ist eine Salonlöwin mit Vampreserven, die die Eskapaden ihres Gemahls Friedrich irgendwie bewältigen könnte. … Peter Simonischek gibt den monomanen Erotik-Bonvivant mit fast bedrohlicher Präsenz. … Verdient starker Applaus für die Schauspieler, erwartbar, aber ungerecht, ein paar Buhs für die Regie. – Ein langer, aber auch starker Abend.

OÖNachrichten (Reinhold Reiterer): Alfred Hitchcock lässt grüßen – Alvis Hermanis inszeniert am Wiener Burgtheater Arthur Schnitzler in einem gewöhnungsbedürftigen „film noir“-Setting. … Peter Simonischeks Hofreiter lotet in einem ungeahnten Ausmaß die Verschlagenheit und Hochmütigkeit eines Machtmenschen aus, der sich aber gleichzeitig davor fürchtet, einmal vor einer gähnenden Leere zu stehen. … Die Selbstverliebtheit des Regisseurs in sein Konzept und das unbedingte Festhalten daran erweisen sich letztlich als Manko … Insgesamt eine durchwachsene Inszenierung mit einer verblüffenden Grundidee, die aber in der Gesamtheit nicht gänzlich aufgegangen ist. Das Premierenpublikum applaudierte anfangs eher verhalten. Als das Leading Team Buh-Rufe einstecken musste, folgten „Bravos“ auf dem Fuß.

Wiener Zeitung (Petra Rathmanner): Gestutztes Gärtchen – Aus dem Salondrama versucht Hermanis einen Kriminalfall im Stil des Film noir zu destillieren. … Das Problem dabei: Man wartet knapp vier Stunden lang buchstäblich auf den großen Knall, der hier zwangsläufig ausbleiben muss. … Der für seine Personenführung bekannte Regisseur schwört in seiner jüngsten Arbeit sein 19-köpfiges Ensemble auf gestelzte Posen und künstliches Getue ein. … „Die Seele ist ein weites Land.“ So lautet die wohl bekannteste Textzeile von Arthur Schnitzler Drama. In Alvis Hermanis’ Inszenierung gleicht das Gefühlsleben einem akkurat gestutzten Gärtchen.

ORF (Gerald Heidegger): Hermanis und das Spiel der Projektionen – „Das weite Land“ in einem Patchwork aus „The Maltese Falcon“ und alter Hitchcock-Klassiker sucht vor allem Bildlösungen zu den verborgenen Triebkräften zwischenmenschlicher Beziehungen. … Permanente musikalische Untermalung lässt die Wirkung der Schauspieler am Bühnenrand verpuffen … Hier ist man in eine Schattenwelt abgetaucht, in der ohnedies ganz eigene Gesetze zu gelten scheinen und der Verweis auf gesellschaftliche Verbindlichkeit überflüssig wirkt.

Tiroler Tageszeitung (Bernadette Lietzow): Schnitzler in grauem Cinemascope – Das Burg-Premierenpublikum ist gespalten über Alvis Hermanis‘ Experiment, Arthur Schnitzlers vor 100 Jahren uraufgeführter Tragikomödie „Das weite Land“ mit den Mitteln des Film Noir zu begegnen. … Man kann Hermanis „Das weite Land“ gutheißen oder ablehnen, in jedem Fall ärgert man sich über die überflüssigen Real-Filmzitate aus „Der dritte Mann“ plus den kurzen Gastauftritt von Bacall und Bogart. Trotzdem anschauen!

oe24 (C. Hirschmann): Da sitzt man im falschen Film – Alvis Hermanis inszenierte „Das weite Land“ völlig an Schnitzler vorbei. … Wirklich entziehen kann sich dieser albernen Regie-Künstlichkeit nur der großartige Peter Simonischek als charmanter und gefühlskalter Hofreiter; alle anderen Akteure – auch Dörte Lyssewski (Genia), Corinna Kirchhoff, ja sogar Kirsten Dene – wirken wie Schemen auf Filmplakaten.

Neues Volksblatt (Renate Wagner): Darling, ich bin im Kino! – Immerhin hat Hermanis geschafft, dass man sein „Weites Land“ nicht vergessen wird: Friedrich Hofreiter als Humphrey Bogart, das hat zumindest als Idee einen Teil der Zuschauer interessiert.

FAZ (Gerhard Stadelmaier): Die dunklen Lichtspielliebesgeister – Im Burgtheater macht Alvis Hermanis aus Arthur Schnitzlers „Weitem Land“ einen finsteren Bezirk. … Die Seele, die sowieso keiner hat, ist hier kein weites Land. Sie ist ein krimineller Bezirk. … Der lettische Regisseur Alvis Hermanis, der auf der Bühne gern ein Ausmaler ist, […] macht aus dem Schnitzler ein großes Kino-Gemälde. Und es funktioniert wunderbar.

Die Welt (Ulrich Weinzierl): Karambolage im wüsten Land der Seele – Blondinen, Vamps und Sigmund Freud: Alvis Hermanis inszeniert Schnitzler am Burgtheater als Psychothriller …  Zum Teil funktioniert die radikale Schwarzweiß-Ästhetik sogar vorzüglich. … Das Atout der Inszenierung ist Peter Simonischek, ein grandioser Hofreiter.

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Inhalt und Monografie bei Wikipedia

Hinweis: Das weite Land wird auch im Theater in der Josefstadt aufgeführt, am 6 Oktober 2011 eröffnet Martin Kusej seine Intendanz am Münchner Residenztheater mit diesem Stück (Hauptrolle Tobias Moretti) und im Februar 2012 inszeniert Wernder Schneyder Das weite Land am Salzburger Landestheater.

Der Kurier spricht mit Peter Simonischek über diese Aufführung: Einen „Stresstest für Schnitzler“ nennt Simonischek diese ganz andere, erfrischend unösterreichische Herangehensweise ans Theatermonument.

In einem ausführlichen Interview mit oe24 verweist Peter Simonischek, dass der Blick von außen auf ein Schnitzler Stück interessante Resultate bringen kann, etwa Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“.

Die Salzburger Nachrichten bringen ein ausführliches Interview mit Dörte Lyssewski über das Stück und ihre Arbeit allgemein: „Vielleicht gehen die Leute da auch einmal irritiert hinaus. Aber dafür ist Theater da. Wer nur konsumieren will, soll sich den Fernseher anschalten.“

OE1 zitiert Alvis Hermanis: „Wir wollten wirklich eintauchen in das Unterbewusstsein der Figuren. Deshalb haben wir die Ästhetik des Film Noir verwendet. Das ist natürlich auch auf der visuellen Ebene sehr reizvoll – aber darum ging es uns nicht primär – sondern um den speziellen Fokus auf das Unterbewusste. Ich hoffe, bei unserer Version wird klar herauskommen, wie nahe sich Arthur Schnitzler und Sigmund Freud waren.“

ORF.at hat einen Beitrag über Alvis Hermanis und eine Bildergalerie.

An Hand von Lexikoneinträgen wie Ehe, Fels, Herzensschlampereien geht Der Standard auf das Stück ein.

Die Presse berichtet über den Start einer historisch-kritischen Ausgabe der Werke Arthur Schnitzlers. Bis zum 150. Geburtstag Schnitzlers am 15 Mai 2012 sollen mindestens drei Bände erscheinen.

Biografie und Texte von Arthur Schnitzler bei Projekt Gutenberg

Kostenlose Hörbücher bei vorleser.net

Arthur Schnitzler Gesellschaft

Das weite Land – Leuwerik, Sinjen, Fischer – 1970
Regie: Peter Beauvais / Drehbuch: Peter Beauvais nach dem Bühnenstück von Arthur Schnitzler / Kamera: Hannes Staudinger / Produzent: Otto Dürer /
Darsteller: Ruth Leuwerik, O.W. Fischer, Sabine Sinjen, Walter Reyer, Grete Zimmer, André Heller, Michael Heltau / Vienna Filmproduktion Wien, NDF München, ZDF, ORF, Premiere: 29. März 1970

Und bei Amazon ist „Das weite Land“ mit Paula Wessely und Attila Hörbiger als DVD erhältlich.

 

Ein Gedanke zu „Das weite Land

  1. Wieso bringt mir die Seite auf meine Suchanfrage „Puff“ einen Link zum weiten Land??

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