Der Riese vom Steinfeld

Volksstück von Peter Turrini

Premiere und Deutschsprachige Erstaufführung 7 September 2012 im Volkstheater

Mit: Roman Schmelzer (Der Riese vom Steinfeld), ChrisTine Urspruch (Die kleine Frau), Claudia Sabitzer (Anja, die Mutter des Riesen/Königin Victoria/ Die pfeifenrauchende Frau/ Eine Varietétänzerin), Ronald Kuste (Der Klammerschneider/ Wilhelm II/Ein Geometer), Thomas Bauer (Der Zirkusdirektor/ Der Riese Jens Jenssen/Ein Geometer/ Der Dorfbürgermeister), Erwin Ebenbauer (Der Musikzauberer/ Lord Pitt der Ältere), Christoph F. Krutzler (Der Teufel/ Der Totengräber/Der starke Mann), Susa Meyer (Dorian Bosomworth/ Die behaarte Frau/Eine Varietétänzerin), Inge Maux (Rabbi Fleckeles/ Die Kellnerin/Eine Varietétänzerin), Annette Isabella Holzmann (Der schöne Müde/ Der 2. Schüler/Eine Varietétänzerin), Haymon Maria Buttinger (Der Conférencier/ Der Tanzbär), Robert Prinzler (Inspektor Pattonhooble/1. Bauernbursche/Ein Diener/ Der Sargtischler), Jan Sabo (Der Schüler Moischele/ 2. Bauernbursche/Der Riese Chang-Yu-Sang/Ein Diener/Ein Geometer), Kyrre Kvam (Der Andere)

Regie: Stephanie Mohr

Es ist Kirtag in Steinfeld, am 18. August des Jahres 1877. Paare tanzen, Burschen grölen und Bauern lachen. Und ein junger Mann aus Oberösterreich wird für den Wanderzirkus engagiert und mit in die Welt hinausgenommen. Das Gespött des Dorfes ist jetzt eine Jahrmarktsensation mit seinen 2,58 Metern Körpergröße. Er bereist die Welt, von Berlin und Prag über London bis zu einem heruntergekommenen Varieté in Paris. Und so beginnt ein böses Märchen: Der Riese vom Steinfeld wird als Schauobjekt förmlich zu Tode gehetzt, er stirbt mit 27 Jahren an Lungenentzündung.

Queen Victoria schickt Agenten, die den Leichnam den Dorfbewohnern abkaufen sollen. Dadurch kommen sie auf die Idee, dass es sich hier um etwas Wertvolles handeln könnte, und bauen den Riesen als Puppe nach, bringen sie an einer Gasthausfront an, nennen das Wirtshaus „Gasthaus zum Riesen“ und begründen damit den Salzburger Fremdenverkehr, ja, nicht nur diesen, den österreichischen schlechthin. (Volkstheater)

Volkstheater - Der Riese vom Steinfeld

Claudia Sabitzer, Roman Schmelzer – © Klaus Lefebvre

Kritiken

Der Standard (Dorian Waller): Echter Riese, falscher Zauber – Die Szenen sind teils poetisch, teils banal, einmal komisch, einmal albern. Letztlich wirkt das Stück aber auch mit seiner Kritik an aktuelleren gesellschaftlichen Problemen – Stichwort Paparazzi – ziemlich bieder. … So liegt es mehr an der Musik von Kyrre Kvam, für Stimmung zu sorgen. Kvam ist stets selbst auf der Bühne präsent, eine Kiste dient ihm als schier unerschöpflicher Instrumentenfundus.

Kurier (Guido Tartarotti): Die Erstaufführung von Peter Turrinis „Der Riese vom Steinfeld“ bringt dem Volkstheater einen schönen Erfolg – Das Ergebnis ist ein schöner, poetischer, kluger und kurzweiliger Theaterabend, der den Aufwärtstrend des Hauses bestätigt. … Großartig ist der Musiker Kyrre Kvam, der die Lieder komponierte und ständig auf der Bühne das Geschehen mit den Mitteln der Musik vorantreibt. Roman Schmelzer (Riese), Christine Urspruch (seine Geliebte) und Claudia Sabitzer spielen wunderbar, das Ensemble schlägt sich wacker. Großer Applaus.

Kleine Zeitung (APA): Regisseurin Stephanie Mohr bringt einen Wanderzirkus auf die Bühne, der mit behutsamer Musikuntermalung und sanften Gesängen die Riesen-Story als Moritat darbringt – Roman Schmelzer (mittels Kothurnen auf Gardemaß erhöht) gelingt es ganz vorzüglich, die Tragik dieses wahren Schicksals herauszuarbeiten. … Claudia Sabitzer ist schlicht und ergreifend … Um ihn [den Abend] als Ganzes richtig annehmen zu können, benötigt man vermutlich ein großes Herz und eine kindliche Naivität. Wie „Der Riese vom Steinfeld“ eben.

Wiener Zeitung (Hilde Haider–Pregler): Menschen abseits der Norm als Ausstellungsobjekte – Turrini zeigt die Lebensstationen des jung verstorbenen Riesen nicht als Dokumentartheater, sondern er erzählt mit beeindruckender Sprachkunst ein „böses Märchen“: grotesk, derb, deftig und direkt, zugleich aber, bei genauerem Hinhören, mit poetisch-zarten Zwischen- und Untertönen. In Stephanie Mohrs drastischer, mit beachtlicher Präzision gestalteter Inszenierung eines Wanderzirkus-Spektakels (Bühne und Kostüme: Miriam Busch) steht freilich das Groteske im Vordergrund. … Neben dem Protagonistenpaar bewährt sich das Volkstheater-Ensemble bestens, von einer Rolle in die andere schlüpfend, in scharf umrissenen, oft bis an die Grenze der Peinlichkeit karikierten Figuren.

Die Presse (Barbara Petsch): Ein Riese im grellen Prater-Panoptikum – Stephanie Mohr inszenierte im Volkstheater kräftig, bilderreich Peter Turrinis Außenseiterdrama. Roman Schmelzer brilliert als Protagonist. … „Der Riese“ ist eines von Turrinis besten Stücken: Der schräge Humor, die Empathie des Autors für seinen Helden, das schrill-geheimnisvolle Ambiente. Frei von platten politischen Botschaften hat das Werk eine gewisse reiche Leichtigkeit und satirische Spitze.

Links

Zur Entstehungsgeschichte des Stückes schreibt Der Standard: Turrini verarbeitete den historischen Stoff des angeblich 2,58 Meter großen Franz Winkelmeier, der um 1885 als lebende Attraktion durch Europa reiste und mit 27 Jahren an Lungenentzündung starb, erst für das Libretto von Friedrich Cerhas gleichnamiger Oper. Die Uraufführung der Stückfassung erfolgte bereits 2005 in französischer Sprache, die deutschsprachige Erstaufführung nun am vergangenen Freitag mit großem Ensemble in Wien.

Zur Person Franz Winkelmeier (bekannt als Riese von Friedburg-Lengau) mehr bei Wikipedia.

Im Vorbericht zur Aufführung sagt Stephanie Mohr bei OE1 über die Rolle der Musik in dieser Inszenierung:  „Die Hauptfigur braucht die Musik für ihr Leben, denn der Riese will ganz einfach normal sein. Dazu gehört auch die Mitgliedschaft im Chor des Dorfes.“

Ebenfalls bei OE1 sagt Peter Turrini im Gespräch: „Es ist eine Geschichte über einen Menschen, der zu Lebzeiten ein Ausgestoßener, ein Vorgeführter war, und der nach seinem Tode berühmt wurde. Man hat also umgebracht, was man nachher hochleben ließ.“ – und sieht Parallelen auch zur Politik.

Der Kurier führt ein Gespräch mit ChrisTine Urspruch, bekannt als Alberich aus dem Münster ‚Tatort‘: Im Volkstheater verkörpert sie jetzt „eine Frau, die – gegen alle Widerstände – einfach ihre Liebe behauptet. Vielleicht ist sie ein bisschen blauäugig. Aber dass sie einfach ganz toll ihrem Herzen folgt und so unbedingt diesen Riesen zum Geliebten will, hat mich fasziniert.“

Peter Turrini erhielt 2011 den Nestroy-Preis für sein Lebenswerk.

Volkstheater Trailer auf YouTube