Der ideale Mann

Theaterstück von Oscar Wilde, Deutsche Fassung von Elfriede Jelinek

Premiere 23 November 2011 im Akademietheater

Mit: Michael Maertens (Sir Robert Chiltern), Johann Adam Oest (Lord Caversham), Matthias Matschke (Lord Goring), Peter Matic (Mason / Phipps), Katharina Lorenz (Lady Chiltern), Maria Happel (Mabel Chiltern), Caroline Peters (Mrs. Cheveley), Kirsten Dene (Lady Markby)

Regie: Barbara Frey

Oscar Wildes Bestechungs- und Erpressungsgeschichte spielt im Hause des Unterstaatssekretärs Robert Chiltern in London. Dort bekommt man Besuch aus Wien von Mrs. Chevely, die jahrelang in politischen Geschäften in Österreich unterwegs war. Der Hyper-Alpenkanal soll von England aus mitfinanziert werden, und dazu braucht man den gutaussehenden und gewieften Politiker Chiltern, einen Mann, der leidenschaftliches Machtstreben mit sozialer Verantwortung und privater Sehnsucht nach Liebe verbindet.

Leider gibt es einen dunklen Fleck im Leben Sir Roberts. Mrs. Chevely weiß das und versucht, ihn mit einem kompromittierenden Brief zu erpressen. Er soll in einer Rede vor dem Kabinett seinen Widerstand gegen eine Beteiligung am Hyper-Alpenkanal zurückziehen. Doch als seine Frau davon erfährt, fürchtet Chiltern, seinen Ruf als „idealer Mann“ zu verlieren. Er zeigt Rückgrat und bleibt bei seiner Meinung. Mit einer Gegenintrige rettet ihn sein Freund Lord Goring vor dem politischen Ende.

In Elfriede Jelineks neuer Bearbeitung des Stückes geht es natürlich nicht wie bei Wilde um den Suez-Kanal, sondern um ganz andere Kanäle. Die Hypo Alpe-Adria spielt eine fatale und staatstragende Rolle, und Ähnlichkeiten mit lebenden österreichischen Politikern und Menschen aus dem öffentlichen Leben sind beabsichtigt. (Inhalt Akademietheater)

Michael Maertens (Sir Robert Chiltern), Caroline Peters (Mrs. Cheveley), Maria Happel (Mabel Chiltern) - (c) Reinhard Werner / Burgtheater

Kritiken

Wiener Zeitung (Christina Böck): Westen kann man waschen – Michael Maertens spielt diesen Lord Robert Chiltern, er näselt, natürlich großartig, durch ein hervorragend gespitztes Mündchen und muss doch mitunter aufpassen, dass ihm sein Karl-Heinz-Grasser-Mittelscheitel nicht die Show stiehlt. … Caroline Peters, lapidar drängend und begleitet von allerlei eingefärbten Pelztieren … Regisseurin Barbara Frey hat der Versuchung widerstanden, mit dem Stück eine aufgelegte Korruptionsskandal-Kritik zu inszenieren. Mit ihren Kürzungen hat sie Jelinek Platz gegeben, ohne Wilde aus den Augen zu verlieren.

Die Presse (Norbert Mayer): Eine After-Show nach Motiven von Oscar Wilde – Barbara Frey inszeniert Elfriede Jelinek, die der Salonkomödie „An Ideal Husband“ nacheifert. „Der ideale Mann“ ist als Text zu verbissen, doch klug gekürzt. … Elfriede Jelinek hat die Übersetzung von Karin Rausch mit Furor, artistisch und ideologisch, umgearbeitet. … Nun aber kommt Frey ins Spiel. Sie hat diese Textversion von so viel Ballast befreit, dass in gut drei Stunden nur selten Langeweile aufkommt. … Entscheidend für das Gelingen des Abends sind Maertens und Lorenz.

Der Standard (Margarete Affenzeller): Hyper-Alpen-Trallala – Elfriede Jelineks Neudichtung „Der ideale Mann“ nach Oscar Wilde entfaltet in einem berauschenden Bühnenbild am Akademietheater große Komik. Barbara Freys Inszenierung geht aber dann ein wenig die Luft aus … Und es ist bemerkenswert, wie gut Jelineks Kalauerkunst, die sie mehrheitlich auf unendlich lange Redeschleifen anwendet, in so einer possierlichen, dabei aber reichlich Gift sprühenden und grausamen Komödie aufblüht. … Nach einem hochfahrenden ersten Akt, der wohl auch den Schauwerten und dem schillernden Figurenpersonal geschuldet war, verliert die Inszenierung aber an Dynamik. Als Notlösung dienen dann immer wieder in die Handlung integrierte Slapsticknummern.

Kurier (Werner Rosenberger): Gesellschaftskritik von Elfriede Jelinek mit dem scharfen Blick von Oscar Wilde: „Der ideale Mann. Sehenswert. – Barbara Frey, die Intendantin des Schauspielhauses Zürich, hat bei ihrer ersten Jelinek-Inszenierung klug Text gestrichen – und Oscar Wilde leben lassen. Das ist gut so. … Michael Maertens als Frisur-betonender, smarter, gelackter Feschak mit einem schmutzigen Geheimnis unter der angeblich weißen Weste und Katharina Lorenz im Dauerdienst der Wohltätigkeit sind als Sir Robert und Lady Chiltern wie Karl-Heinz und Fiona.

Kleine Zeitung (Frido Hütter): Von Einsern und Nullen: „Der ideale Mann“ im Akademietheater – Elfriede Jelinek nimmt sich Oscar Wildes an. Ein hübsches Paar, das auch mehr als 100 Jahre nicht zu trennen scheinen. Das Publikum nahm es dankbar auf. … Aber wir sind ja an der Burg. Und dort wird seit der Ära Hartmann fortgesetzt bewiesen, dass Klamauk definitiv von Wert sein kann, wenn sich Größen wie Michael Maertens, Johann Adam Oest, Maria Happel und hier auch Caroline Peters, Peter Matic und Matthias Matschke in seinen Dienst stellen. … Freundlicher, lange anhaltender Applaus belohnte die Darsteller und das Regieteam.

Tiroler Tageszeitung (Renate Wagner): Die Heuchler- und Betrüger-Posse – Die Erstaufführung im Wiener Akademietheater erntete stürmischen Erfolg. … Michael Maertens ist der „ideale­ Mann“ mit Grasser-­Frisur (Haare tief in den Nacken hinein) und gelegentlicher Geste, sonst aber genuin als amoralischer Zyniker, der hauptsächlich verärgert ist, wenn man ihm ins Handwerk pfuscht. Katharina Lorenz hingegen hat sich mit wehender Haarmähne, eleganter Kleidung, Kaugummi kauend und demonstrative Naivität vor sich hertragend vollends in ihr Vorbild Fiona verwandelt. Caro­line Peters intrigiert die Mrs. Cheveley mit einer Direktheit, die wirklich komisch ist.

NZZ (Barbara Villiger Heilig): Vergangenheit mit Zukunft – Barbara Frey zeigt die Bearbeitung in Wien mit Starbesetzung als irrwitzigen Slapstick. … Jelineks Gespött verwandelt sich im Saal des Akademietheaters vielleicht ein bisschen zu einhellig in Wohlgefallen. Aber was soll’s, lieber einmal zu viel gelacht als zu wenig.

Die Welt (Ulrich Weinzierl): Was Wien sich so leistet, muss die Kunst erst mal hinkriegen – Sand im Komödiengetriebe: Barbara Frey verschenkt am Akademietheater Elfriede Jelineks „Idealen Mann“ nach Oscar Wilde – [Barbara Frey hat] einen Wechselbalg in die Welt gesetzt: Slapstick, Nonsens und Karikatur mit Resten realistischer, psychologischer Personenführung verbunden. Das geht natur- und kunstgemäß schief – zum Schaden sämtlicher Beteiligten. … Michael Maertens alias Sir Robert pflegt seine bekannten Star-Marotten hingebungsvoll – und zur Freude des Publikums.

Die Zeit (Joachim Riedl): Unschuld wird vermutet – Die Unschuldsvermutung kennt Elfriede Jelinek selbstverständlich nicht. Sie schwingt die Kalauerkeule, die jeden doppelzüngigen Hintersinn zur wütenden Denunziation breit klopft, da sie weiß, dass die feine Klinge eine stumpfe Waffe ist gegen die Hallodris in ihrer Heimat. … Es ist aber die ideale Bühne für den Titelhelden, in dessen Gestalt der grandiose Schauspieler Michel Maertens, stets die rot-weiß-rote Staatsschärpe um die Brust geschlungen, die österreichische Skandalkultur vorführt.

Links

Ausführliche Inhaltsangabe von ‚Ein idealer Gatte‘ bei Wikipedia.

Der englische Text des Stückes findet sich bei CELT (Corpus of Electronic Texts Edition), bei Projekt Gutenberg und bei The Literature Network (ebendort Biografie und weitere Texte). Viele Werke von Oscar Wilde auch als PDF bei The Oscar Wilde Collection.

Elfriede Jelineks Website mit ausführlichem Werkverzeichnis.

Mit einem Mini-Lexikon zum Stück und dieser Aufführung stimmt Der Standard auf die Inszenierung ein.

Der Kurier interviewt Barbara Frey: „Für Frau Jelinek ist es ja kein Problem, dass man mit Text umgeht, wie man will. Es ist jedenfalls bei ihr wie bei Wilde wichtig, dass Sprache für Demaskierung sorgt.“

Bilder dieser Aufführung im Kurier.

3sat berichtet über diese Aufführung in Kulturzeit (YouTube).

‚An Ideal Husband‘ wurde mehrfach verfilmt:

  • 1999 – mit Jeremy Northam, Cate Blanchett, Minnie Driver, Julianne Moore und Rupert Everett (Trailer und Film in mehreren Teilen bei YouTube, alle Infos bei IMDb, Wikipedia),
  • 1969 – Fernsehverfilmung mit Jeremy Brett, Margaret Leighton’s, Dinah Sheridan,
    Keith Michell (Film in mehreren Teilen bei YouTube).

Hinweis: ‚Der ideale Mann‘ in der Fassung von Elfriede Jelinek hat im Dezember 2011 auch am Schauspielhaus Zürich Premiere.