Die Dreigroschenoper

Ein Stück mit Musik in einem Vorspiel und acht Bildern nach John Gay von Bertolt Brecht und Kurt Weill

Premiere 16 Dezember 2011 im Volkstheater

Mit: Patrick O. Beck (Jonathan Jeremiah Peachum), Susa Meyer (Frau Peachum), Katharina Straßer (Polly Peachum, ihre Tochter), Marcello de Nardo (Macheath), Thomas Kamper (Brown, Polizeichef), Andrea Bröderbauer (Lucy, seine Tochter), Arne Gottschling (Charles Filch), Wolf Dähne (Pastor Kimball), Thomas Bauer (Smith), Alexander Lhotzky (Matthew), Robert Prinzler (Jack), Christoph F. Krutzler (Bob), Andy Hallwaxx (Walt), Patrick Lammer (Eddy), Matthias Mamedof (Jim), Maria Bill (Jenny), Johanna Withalm (Dolly), Franziska Hetzel (Molly), Patrick Lammer (Der Moritatensänger)

Regie: Michael Schottenberg

Peachum, seines Zeichens geschäftstüchtiger Chef von „Peachum & Company“, hat viel zu tun. Seine Firma profitiert von den Bettlern Londons „als Grundkategorien des Elends“ und organisiert sie in der Stadt – mit einem Wort: Elend als Mittel zum Zweck. Als er von seiner Frau erfährt, dass seine Tochter Polly zu heiraten beabsichtigt – ausgerechnet den skrupellosen Ganoven Macheath – gerät Peachum außer sich und versucht, die Hochzeit zu vereiteln. Doch das Paar kommt ihm zuvor – in einem Pferdestall feiert man, bejubelt von Mackies Bande, Hochzeit. Auch Londons Polizeichef Tiger Brown gibt sich die Ehre – denn gegen hartes Geld erweist er sich seinem alten Armeekameraden immer wieder solidarisch. Als die Peachums Polly drohen, ihren frisch angetrauten Gemahl an den Galgen zu bringen, beschwört sie Macheath, unverzüglich zu fliehen – auch Brown könne ihn nun nicht mehr schützen. Macheath betraut Polly mit der Leitung seiner Geschäfte, wird von seiner früheren Geliebten, der Hure Jenny, verraten, verhaftet, kommt aber mit Hilfe seiner aktuellen Geliebten Lucy, Browns Tochter, wieder frei. Doch Peachum hat noch ein Ass im Ärmel … (Inhalt Volkstheater)

Wolf Dähne, Katharina Straßer, Marcello de Nardo - © Lalo Jodlbauer

Kritiken

Wiener Zeitung (Hilde Haider-Pregler): Heutige Abgründe – Volkstheater auf Erfolgskurs … Wie sich die Stilmittel des epischen Theaters wirkungssicher für die Bühne von heute adaptieren lassen, ohne in brechtianisches Epigonentum zu verfallen, demonstriert Michael Schottenberg in seiner präzisen Inszenierung der „Dreigroschenoper“. … Patrick O. Beck ist als Peachum ein smarter Businessman, der seine Bettler-Organisation gekonnt managt und auch als Familienoberhaupt ein strenges Regiment führt. Susa Meyer als seine dem Alkohol zugeneigte Gattin überzeugt in ihrem angestrengten Bemühen um ein ladylikes Auftreten. Katharina Straßer brilliert als unkonventionelle, schwarzhaarige Polly … Marcello de Nardo strahlt als weißblonder Mackie Messer im roten Outfit zwar brutale Kälte aus [..]. Warum sich die Frauen allerdings um ihn prügeln, als er hinter einem Maschendrahtgitter im Gefängnis sitzt, wird nicht so recht einsichtig. … Maria Bill liefert eine meisterhafte Studie als vom Prostituiertenleben gezeichnete Jenny.

Die Presse (Norbert Mayer): Im Rotlicht leuchtet die Dreigroschenoper – Michael Schottenberg lässt in Brechts Paradestück über die bösen Bürger die Puppen tanzen. Er zeigt im Volkstheater mit großem Aufwand: Die Verhältnisse, sie sind noch immer nicht so, wie es ihm wohl recht wäre. … 21 Darsteller und sieben Musiker (gut disponiert unter der Leitung Imre Lichtenberger-Bozokis) bieten in drei Stunden eine ordentliche Portion fast epischen Theaters im schrillen Kleid einer jazzigen Operette. … Katharina Straßer als beinahe zu sympathische Polly Peachum und Andrea Bröderbauer als zickige Polizistentochter Lucy Brown werden in der Stimmhöhe und in Pseudokoloraturen zwar überfordert – doch das ist wahrscheinlich absichtlich und passt zur schrägen Musik des Septetts. … Herausragend ist Maria Bill als grell geschminkte alte Hure Jenny. Ihr rauchiger Gesang hat Seele, in den Tiefen erinnert sie an Zarah Leander. … Die gesangliche Schwäche gilt auch für de Nardo, doch ihm gelingt es fabelhaft, den miesen kleinen Anführer einer Gang darzustellen, mit grell gefärbter Punkfrisur und im knallig roten Anzug. … Herzlicher Applaus für das ganze Ensemble, das alles in allem eine gediegene, kurzweilige Vorstellung bietet.

OÖNachrichten (Reinhold Reiterer): Täuschen, tarnen und fressen – Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“ hat von ihrer zeitlosen Gültigkeit nichts verloren. In seiner exzellenten Neuinszenierung am Wiener Volkstheater hat Regisseur Michael Schottenberg das im Stück steckende Potenzial hervorgeholt. … Ein weiterer Pluspunkt dieser Neuproduktion ist die musikalische Einrichtung durch Imre Lichtenberger-Bozoki. … So manche Intonationsschwäche oder Wortundeutlichkeit trübt ein wenig den exzellenten Gesamteindruck. … De Nardo fehlt bei seinem Mackie Messer vielleicht ein wenig Dämonie. Ausgezeichnet auch Maria Bill als Jenny, Andrea Bröderbauer als Polizeichef-Tochter Lucy und Katharina Straßer in der Paraderolle der Polly Peachum. Auch das übrige Volkstheaterensemble läuft bei dieser Inszenierung zu großer Form auf. Ein Bühnenklassiker im heutigen Gewand. Die reine Freude.

Kurier (Guido Tartarotti): Mackie Messer ist bauchfrei – Das Volkstheater zeigt eine harte, starke Inszenierung der „Dreigroschenoper“, verzichtet aber auf Charisma. … Der Gangster-Captain ist in Marcello de Nardos Darstellung ein weitgehend charmefreier, uninteressanter Kleinkrimineller. … Dabei spielt de Nardo technisch wie immer stark. … In den wichtigen Nebenrollen (Patrick O. Beck als Peachum, Susa Meyer als seine Frau, Katharina Straßer als Polly, Maria Bill als Jenny) wird manchmal hart am Rande der Outrage agiert, aber es geht sich immer aus. … Hervorgehoben sei Patrick Lammer als fantastisch gut interpretierender Moritatensänger und die großartige, vom Publikum zu Recht umjubelte Band unter der Leitung von Imre Lichtenberger-Bozoki.

Der Standard (Ronald Pohl): Aus dem Dentalraum der Gesellschaft – Schneidend scharf und provokant unkulinarisch hat Michael Schottenberg „Die Dreigroschenoper“ streckenweise brillant inszeniert … Und in Sachen Musik ist dem Wiener Volkstheater die schönste Überraschung geglückt: Mikrofone sausen aus dem Bühnenboden herauf, deklamiert wird rampennah, scharf und, höchstes Lob für eine Brecht-Unternehmung: unkulinarisch. … Es bleibt Schottenberg und seinen tüchtigen Mitstreitern, voran Maria Bill, Patrick O. Beck und dem Musikleiter Imre Lichtenberger-Bozoki, zu wünschen, dass die Botschaft weit über Weihnachten hinaus gehört wird: „Bedenkt das Dunkel und die große Kälte/ In diesem Tale, das von Jammer schallt.“

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OE1 verweist in einem Bericht zu dieser Aufführung darauf, dass das Stück 1928, also zur Zeit der Wirtschaftskrise, uraufgeführt wurde. Wie inszeniert Michael Schottenberg ‚Die Dreigroschenoper‘: „Der Text spricht für sich. Man muss das Wort wörtlich nehmen und man muss Brecht ernst nehmen und man darf ihn nicht verkitschen und man muss es so inszenieren, wie es dasteht: kalt, scharf und ohne Charme“; und weiter: „Das Problem ist bei diesem Stück, dass meistens Schauspieler das singen. Würden es Sänger singen, würden sie wahrscheinlich die Schärfe des Textes nicht so rüberbringen. Ich glaube das ist wesentlich, dass man sehr gute Singschauspieler zur Verfügung hat und nicht umgekehrt“, betont Schottenberg.

Über diese Aufführung stellt Michael Schottenberg in einem Interview mit der Wiener Zeitung fest: „Wir streben ein modernes Setting an. Mackie Messer empfinde ich als eine Art Popstar, auch Herrn Peachum stelle ich mir nicht alt und schrullig vor, das sind mächtige Leute, Personen der Seitenblicke- und Machtgesellschaft. Bei uns verkörpern Marcello de Nardo und Patrick O. Beck das Ganovenpaar, das nach dem Motto lebt: Das Böse zieht an, das Brave und Angepasste ist langweilig.“

Michael Schottenberg sieht im Interview mit dem Standard „vielleicht glückliche Zeiten für Kunst“. Michael Schottenberg weiter: „Brecht ist seit dem Zusammenbruch des Kapitalismus der Autor der Stunde: Er wurde irgendwann nicht mehr so viel gespielt, weil der Kommunismus verdampft war. Nun scheint sich etwas einzulösen von dem, was der Mann gewusst hat – lange bevor unsere Kapitalisten die Bühne betreten haben. „Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank“: Das sind Merksätze, die heute erfunden worden sein könnten.“

Mit Bezug darauf, dass ‚Die Dreigroschenoper‘ derzeit auch am Grazer Schauspielhaus gespielt wird, führt der Kurier ein Gespräch mit Michael Schottenberg, Marcello de Nardo, Schauspielhaus-Intendantin Anna Badora und ihrer Regisseurin Anna-Sophie Mahler. Anna-Sophie Mahler: „Brecht ist nicht „modern“, sondern aktuell. Die Dialektik von Kapitalismus und Verbrechen, stabilisiert durch bürgerliche Moral, stimmt Satz für Satz, Song für Song.“

Maria Bill und Katharina Straßer sprechen in einem Interview mit News über das Stück, die Schwierigkeiten mit dem Singen und das Theater. Maria Bill: „Man wird durch dieses Stück nicht belehrt. Man erkennt die aktuelle gesellschaftliche Situation. “

Ein langes Tischgespräch (weil bei Essen und Trinken) mit Michael Schottenberg führen Angelika und Michael Horowitz im Dezember 2011.

Die Presse bringt einen Bericht über die Entstehung des Stückes und seinem großen Erfolg bereits bei der Uraufführung 1928 in Berlin.

Sehr viele Informationen über ‚Die Dreigroschenoper‘ (Inhalt, Entstehung, Rezeption, Verfilmungen, Literatur etc) bei Wikipedia.

Bertold Bechts ausführliche Biografie, Werkbeschreibung, Rezeption und mehr bei Wikipedia.

Kurt Weill Zentrum und Kurt Weill Fest

Kurt Weill Foundation for Music

Trailer zu dieser Aufführung im Volkstheater auf YouTube